Tagebucheintrag vom 17.05. & 18.05.98
Nun war der erste Moment des Abschieds gekommen.
Wer hätte gedacht, daß die Zeit so schnell an uns vorbeiziehen
würde? Ich war ein wenig bedrückt, als ich früh am Morgen
sanft aus meinen Träumen gerissen wurde. Es war kurz nach 7.00 Uhr.
Ich mußte mich heute von einem wunderbaren Menschen verabschieden
und von einer freundlichen Familie, die uns die letzten Tage in Nepal so
herzlich und eindrucksvoll gestaltete, daß es ein großer Schmerz
für mich war, den ersten Abschied so hinnehmen zu müssen. Doch
es blieb uns leider keine andere Wahl! So standen wir gegen 7.30 Uhr im
Restaurant des Hotels "Elephant Head", wo wir die letzten drei Tage in
Nagarkot gelebt hatten. Der Raum war kaum gefüllt. Nur wenige Leute
saßen an den gedeckten Tischen. Sie alle nutzen die entzückende
Landschaft und die entspannte Ruhe der Region um von diesem wunderschönen
Flecken Erde Abschied zu nehmen.
Toya stand hinter der Theke des Restaurants.
Sie hatte sich scheinbar extra für uns ihre besten Sachen angezogen.
Sie sah wunderschön aus. Die Zeit rückte näher! Also genehmigten
wir uns einen letzten Tee auf der Terrasse des Hotels. Nach geraumer Zeit
bemerkten wir die Opfergaben, die auf dem Boden der Terrasse lagen. Blumen,
Reis und rote Farbe. Galten sie uns? Ich werde es wohl nie erfahren!
Als wir unseren Tee getrunken hatten, mußten
wir uns beeilen, denn der Zeitpunkt rückte näher, an dem der
Tourist – Bus Nagarkot in Richtung Kathmandu, unsere letzte Zwischenstadion
auf dem Weg nach Deutschland, verlassen sollte. Wir bezahlten unsere Rechnung
und verabschiedeten uns nicht nur von den Leuten, die uns die letzten Tage
so wundervoll erfahren ließen. Nein, dieser erste Abschied war auch
ein etwas wehmütiger Rückblick auf die vergangenen Wochen, in
denen wir so viel erlebt hatten, die Herzlichkeit der Leute zu schätzen
wußten und in denen wir Erfahrungen gesammelt hatten, die sich wohl
für immer in unseren Köpfen festsetzen werden!
Gegen 11.00 Uhr erreichten wir die Stadt. Wir
hatten für heute eine Verabredung mit dem Israeli, den wir am Anfang
unserer Reise an dem Stupa von Bodhnath kennengelernt hatten. Er wollte
uns heute dort treffen. Sein Anliegen galt dem Interesse an unseren Erfahrungen
aus Deutschland und den Erlebnissen, die wir in Nepal hatten.
Die Zeit war knapp und wir befürchteten,
daß wir den Israeli nicht mehr antreffen würden. Doch wir hatten
Glück. Als wir an der vereinbarten Stelle ankamen, wollte er gerade
wieder nach Hause gehen. Wir hätten uns also fast verpaßt. Doch
so hatten wir die Möglichkeit die Gastfreundschaft des netten Menschen
anzunehmen. Wir gingen zu ihm nach Hause, wo wir Essen und Trinken bekamen.
Wir unterhielten uns sehr lange mit ihm und konnten so erfahren, daß
er seinen Dienst bei einer Sicherheitsfirma beendet hatte und nun von dem
gesparten Geld sein Leben in Kathmandu und Umgebung genießt.
Nachdem wir also doch noch das Vergnügen
hatten, verließen wir sein Haus, um bei Tambotschi und seiner Familie
vorbeizuschauen. Er lud uns für die letzte Nacht in seine Wohnung
ein. Er bat uns bei ihm zu schlafen und bei ihm zu essen, ehe wir Nepal
endgültig verlassen mußten.
Auch dieser Mensch wurde in der kurzen Zeit,
die wir in Asien verbracht hatten, ein guter und zu schätzen wissender
Freund. Ohne seine Gastfreundschaft und seine Hilfe hätten wir an
den ersten Tagen in Kathmandu recht dumm aus der Wäsche geschaut.
Extra zum Abschied gab es den guten alten tibetischen
Buttertee, den wir anfangs in Pokhara einmal probierten, wobei uns fast
schlecht geworden wäre! Doch um Tambotschi nicht zu kränken taten
wir so, als ob uns dieses Getränk munden würde!
Nie hätten wir es jemals in Erwägung
gezogen, ein Stück Fleisch zu uns zu nehmen. Der Anblick der Verkaufsstände
trieb uns die Furcht in unsere Glieder! Schließlich hatten wir schon
genug Erfahrung mit "Shivas Rache" gesammelt. Der Durchfall hatte mich
so geschwächt, daß ich endlich froh war, ihn nach gut 8 Tagen
wieder los zu sein.
Doch dann das! Extra für uns gab es das
beste Essen, wo natürlich Fleisch nicht fehlen durfte. Ich kaute kaum
an meinem guten Hühnchen herum. In einem Stück muß es runter.
Zum Glück überstand ich dieses Experiment ohne jegliche Beschwerden
oder Probleme.
"Drink Tee" hieß es immer wieder dann,
wenn unsere Gläser geleert waren. Der Tee schmeckte hervorragend,
doch trieb er den Schweiß in Massen aus den Poren. Doch damit nicht
genug. Die Nacht wurde reichlich unruhig, da ich viermal aus meinem Schlaf
gerissen wurde, weil ich die Toilette aufsuchen mußte. Jedesmal fragte
ich mich, wo denn das ganze Wasser aus meinem Körper herkam.
Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns
auch von Tambotschi und seiner Familie. Tambotschi begleitete uns noch
zum Taxi, welches uns zum Flughafen bringen sollte. Die letzte Fahrt durch
die chaotischen Straßen von Kathmandu. Der letzte Weg in Nepal, den
wir gemeinsam zurücklegten.
Als unser Flieger in Richtung Karachi abhob,
schossen mir noch einmal alle Erinnerungen durch den Kopf. Es tat weh zu
sehen, wie sich die Erde und die Menschen immer mehr von uns entfernten,
bis sie schließlich unter den Wolken verschwunden waren.